Bunt geschützt
SERIE START-UP SÜDTIROL (9) – Eine Argentinierin kommt nach Südtirol und gründet hier ihr eigenes Modelabel. Das ist die Geschichte von Carolina Zurita Mariani und ihrem Start-up Lilulu Kids. Was ihre UV-Kleidung für Kinder besonders macht.
Südtirol
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Meran/La Plata – „Guten Morgen“, hallt die Frauenstimme aus dem ersten Stock eines Meraner Altbaus nach unten zur Eingangstür. Die Begrüßung verrät bereits einen spanischen Akzent. Oben wartet eine quirlig wirkende junge Frau, die sich sichtlich über den Besuch der SWZ freut: Carolina Zurita Mariani. Sie bittet ins Wohnzimmer, wo sie bereits einiges vorbereitet hat. An eine Wand hat sie einen Kindegarderobenständer in Hausform gestellt. Er ist aus Holz, gebaut vom Großvater ihrer Kinder nach ihrem eigenen Entwurf. An weißen Kleiderbügeln hängen Zurita Marianis bunte Schätze: UV-Kleidungsstücke für die Kleinen und Kleinsten von ihrem eigenen Label Lilulu Kids. Dass sie dieses ausgerechnet in Südtirol gründete, ist der Liebe zu verdanken.
Von Argentinien nach Österreich, von Österreich nach Südtirol
Geboren und aufgewachsen ist Zurita Mariani nämlich in La Plata, mit einer Bevölkerung von mehr als 750.000 eine der größeren Städte Argentiniens, etwa 60 Kilometer südwestlich von Buenos Aires gelegen. In die Landeshauptstadt zog es die heute 37-Jährige schließlich auch für ihr Studium in Modedesign. Dann aber hatte sie vorerst genug von der Heimat. „Ich wollte eine neue Sprache und neue Kultur kennenlernen“, erklärt Zurita Mariani. Ihren Plan setzte sie als Au-pair in die Tat um. Fast 12.000 Kilometer von ihrem Zuhause entfernt lebte sie mit einer Familie in Wien, kümmerte sich um deren Kinder und begann, Deutsch zu lernen. Sie fühlte sich derart wohl, dass sie nach einem Jahr als Au-pair auf erneute Jobsuche ging. Fündig wurde sie am Theater, wo sie als Kostüm- und Maskenbildnerassistentin anheuerte. Mit ihren spanischen Arbeitskolleginnen und -kollegen ging sie ab und zu gern in ein bestimmtes Restaurant essen, wo wiederum spanische Mitarbeitende beschäftigt waren. Der Geschäftsführer allerdings war ein Südtiroler – Zurita Marianis heutiger Ehemann, Matthias Weiss.
Etwas verwirrt sei sie am Anfang gewesen, dass einer, der Deutsch spricht wie ein Österreicher, sich hinstellt und sagt: „Ich bin Italiener“. Die Geschichte Südtirols war etwas vom Ersten, das Zurita Mariani faszinierte, noch bevor sie überhaupt dort gewesen wäre. Die Landschaft tat bei ihrem ersten Besuch das Übrige.
Die Tochter liefert die zündende Idee
Nachdem das Paar nach Südtirol übersiedelt war, fand sich die Argentinierin relativ rasch in der neuen Heimat zurecht. Ein großer Rückhalt war dabei die Familie des Mannes. „Alle sprechen immer extra langsam, wenn ich dabei bin“, lacht Zurita Mariani. Geholfen hat ihr aber vor allem auch der Kontakt mit der Natur. „In Südtirol sind alle gern und viel draußen. Ich komme aus einer großen Stadt, da ist das etwas anders.“
Schon zu diesem Zeitpunkt spürte die junge Frau den Wunsch, sich selbstständig zu machen. „Tief in mir wusste ich, dass etwas kreieren möchte. Die zündende Idee fehlte allerdings.“ Das änderte sich 2020. Ihre Tochter Lilit war damals ein Jahr alt, ein kleiner Wirbelwind, der am liebsten alles selbst und ohne Hilfe machen wollte. „Ihr erstes Wort war ‚sola‘, also ‚alleine‘“, schmunzelt Zurita Mariani. Das galt auch fürs Spielen im Freien. Um die Haut ihres Kindes vor der Sonne zu schützen, machte sich die Mutter auf die Suche nach UV-Kleidung, die in Argentinien weit verbreitet ist. „Am Strand sieht man praktisch alle Kinder damit, aber selbst viele Jugendliche und Erwachsene benutzen sie“, erklärt Zurita Mariani. Schnell stellte sie fest, dass es in Südtirol keinen entsprechenden Hersteller gibt. „Ich wollte etwas qualitativ Hochwertiges, das zugleich praktisch und robust ist“, sagt sie.
Weil der Markt das in ihren Augen noch nicht hergab, entwickelte sie kurzerhand selbst eine Marke: Lilulu Kids. „Lilu“ nennt Zurita Mariani ihre Tochter liebevoll, daraus wurde „Lilulu“. Der Gedanke dahinter: Kindern, unterstützt durch angenehme und leichte Kleidung, eine glückliche und unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen. „Wir fördern Spaß und den Kontakt mit der Natur“, fasst die Argentinierin die Mission ihrer Marke zusammen. Zugleich soll das Design Freude bereiten.
Jedes Stück von Hand designt
Zuirta Mariani nimmt eine Mappe zur Hand. Darin hat sie fein säuberlich ihre Entwürfe gesammelt. Sie zeigt auf den Kleiderständer: „Ich habe alles selbst designt mit verschiedensten Techniken.“ Ganz links hängt ein dunkelgrüner Einteiler mit Affen und Bananen bedruckt. Diese hat Zurita Mariani etwa mit Wasserfarben handgemalt. Für das dunkelblaue Set mit bunten Chamäleons hat sie hingegen einen Stempel benutzt, für ein gelbes Design mit Jaguaren Holzfarben. So nimmt (fast) jedes der bunten Stücke denselben Anfang in physischer Form auf Papier. Eine Ausnahme bildet ihr Löwendesign, das ausschließlich am Tablet entstanden ist. Für manche eine ihrer Umsetzungen braucht Zurita Mariani keine drei Tage, für andere wiederum fast zwei Monate. Wenn sie zufrieden ist, digitalisiert sie ihren Entwurf und verfeinert ihn dann weiter.
Anschließend stellt sie selbst ein erstes Muster her. Ein zweites produziert eine Schneiderei in Kastelbell für sie. Der endgültige Druck erfolgt dann im Piemont. 70 Meter Stoff gelten dort als Mindestbestellmaß. Besonders stolz ist die Argentinierin darauf, dass ihre Produkte zu 100 Prozent „Made in Italy“ sind. Außerdem wirbt sie damit, dass diese einen UV-Schutzfaktor von 50+ haben (die höchste UV-Zertifizierung gemäß EU-Norm) und Bewegungsfreiheit bieten. „Die Modelle sind angepasst an die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe, angefangen bei Babys ab vier Monaten bis hin zu Kindern mit zwölf Jahren“, sagt Zurita Mariani. Für Babys gibt es Einteiler, für größere Kinder Sets bestehend aus Oberteil und Hose. Dazu passen Accessoires wie Mützen und Turnbeutel. Obwohl ursprünglich fürs Schwimmen konzipiert, habe sich bald herausgestellt, dass die Kleidungsstücke für jede Aktivität in der Natur geeignet seien, vom Radfahren übers Wandern bis hin zum Toben auf dem Spielplatz, meint Zurita Mariani.
Ein weiterer Teil der Markenvision sei Nachhaltigkeit, so die Designerin. Einerseits werde durch die Nutzung von UV-Kleidung viel Sonnencreme eingespart, die meist nicht gut für die Umwelt ist, da sie beispielsweise beim Baden in die Gewässer gelangt. Andererseits achte sie bei den Lilulu-Produkten selbst auf Nachhaltigkeit, indem etwa ausschließlich Recyclingfasern verarbeitet und die Transportwege während der Herstellung so kurz wie möglich gehalten werden. Als Start-up empfindet sie ihre Marke deshalb, weil „die Idee dahinter innovativ ist und ein Problem löst.“
Slow-Fashion im Fokus
An den Mann und an die Frau bringt Zurita Mariani ihre UV-Kleidung seit Mai 2021. Eine Woche vor der Geburt ihres zweiten Kindes, Matteo, lancierte sie ihre erste Kollektion. Einige Monate später präsentierte sie diese erstmals bei einem „Selbergmocht“-Markt. Rund viermal pro Jahr hat sie dort seither einen Verkaufsstand. Außerdem findet man die Produkte auf ausgewählten Samstagsmärkten in Meran, jüngst in einem Pop-up-Store in Schenna und im eigenen Onlineshop. Heuer lag der Anteil der Verkäufe über den Onlineshop bereits bei 40 Prozent – Tendenz steigend. Verkauft wurde nach Italien, Österreich und Deutschland. Rund 150 Familien zählen bisher zu ihrer Kundschaft, rund 250 Kleidungsstücke hat sie an diese verkauft. Die Nachfrage steige jährlich.
„Ich denke, das Bewusstsein wird immer größer, wie wichtig guter UV-Schutz ist, vor allem für Kinderhaut.“ Da sie Lilulu Kids als Slow-Fashion-Label sieht, verfolgt Zurita Mariani ein nachhaltiges Wachstum. „500 bis 600 Familien in den kommenden zwei Jahren wären schön“, stellt sie fest. Dafür wird sie wohl auch erstmals Fremdkapital beschaffen müssen. Bisher hat sie ihre Kollektionen allesamt selbstfinanziert. Für dieses Jahr steht die Bewerbung für den Start-up Incubator im NOI Techpark an. „Das wäre ein weiterer wichtiger Meilenstein.“
Unterstützt wird die Unternehmerin bei ihrer Arbeit von einer ihrer Schwestern, Juliana, die derzeit in Rom lebt. Diese ist fürs Texten und die Social-Media-Kanäle zuständig. Einmal pro Woche besprechen sie die entsprechende Strategie in einem Videotelefonat. Bei allem Bürokratischen hilft hingegen Zurita Marianis Ehemann aus, vor allem wegen der sprachlichen Barriere.
Damit das Heimweh nach Argentinien nicht zu groß wird, fährt die Familie jährlich im europäischen Winter für rund einen Monat dorthin. Über den Sommer kommen wiederum die argentinischen Großeltern, beide pensioniert, nach Meran. So hat sich Carolina Zurita Mariani in Südtirol den Grundstein gesetzt für ihr Leben als Unternehmerin und Mutter. „Der Spagat ist nicht immer einfach zu schaffen“, sagt sie, „aber meine Selbstständigkeit würde ich nicht wieder hergeben wollen.“
DIE SERIE Die SWZ stellt in diesen Wochen in der Serie „Start-up Südtirol“ junge Unternehmen und deren Gründer:innen vor, so wie bereits in den vergangenen Jahren. Alle Artikel können auf SWZonline und in der SWZapp gelesen werden.